Intro
Aus Daten können wir viel über uns und unsere Gesellschaft lernen. Doch wie nutzen wir das enorme Potenzial? Um diese Frage zu beantworten, soll ein Dateninstitut gegründet werden, das in konkreten Projekten an innovativen Lösungen arbeitet. Am 20. Januar 2023 traf sich der Beirat Digitalstrategie, um über den agilen Aufbau des Instituts zu sprechen.
Überall in unserem täglichen Leben produzieren wir Daten. Zum Beispiel auf unserem Weg zur Arbeit: Welchen Weg wir nehmen, für welches Verkehrsmittel wir uns entscheiden und wie lange wir im Stau stehen – all das lässt sich in Daten ausdrücken. Oder auch unser Energiehaushalt: Wie viel Strom verbrauchen wir? Wann brauchen wir am meisten Strom? Und wann am wenigsten?
Mithilfe digitaler Technologien kann man heute viel aus solchen Daten lernen. Dieses Wissen kann man dann verwenden, um bessere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die unser Leben einfacher machen. So könnten wir zum Beispiel mittels Künstlicher Intelligenz unsere Energiekosten senken, oder auch einen besseren Weg zur Arbeit finden.
An vielen Stellen nutzen wir das große Potential von Daten aber noch nicht genug. Häufig scheitert es an grundsätzlichen Dingen: Die vorhandenen Daten sind oft unvollständig oder liegen nicht in digitaler Form vor. Manchmal fehlen aber auch Standards oder Lizenzen, die für den sicheren Datenaustausch zwischen verschiedenen Beteiligten erforderlich wären. Diese Probleme soll künftig das Dateninstitut anpacken. Ziel des Instituts soll es dabei gerade nicht sein, nur abstrakte Theorien und Modelle zu entwickeln. Stattdessen soll es an konkreten Lösungen für echte Probleme aus der Praxis arbeiten.
Federführend hinter dem Dateninstitut stehen dabei das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI).
Der Stand: Wie weit sind wir bisher gekommen?
Angefangen hat die Idee eines Dateninstituts mit der neuen Regierungsbildung: Bereits im Koalitionsvertrag hat man sich auf die Gründung eines Dateninstituts geeinigt. Am 7. Oktober 2022 wurde es dann konkret: Eine fünfköpfige Gründungskommission trat zum ersten Mal zusammen. Nur zwei Monate später legte sie beim Digital-Gipfel erste Empfehlungen vor. Zwei Mitglieder der Gründungskommission, Prof. Dr. Louisa Specht-Riemenschneider und Dr. Stefan Heumann, gehören heute auch dem Beirat Digitalstrategie an.
In ihrem Zwischenbericht hat die Gründungskommission empfohlen, bereits während der Gründungsphase des Instituts erste Pilotprojekte anzugehen. Aus diesen Projekten soll das Dateninstitut erste Schlussfolgerungen für seine künftige Arbeit ziehen. Das entspricht der agilen Grundkonzeption des Instituts: Es soll durch die eigenen Projekte kontinuierlich neue Erkenntnisse gewinnen und sich stetig weiterentwickeln: eine lernende Organisation. Dafür soll es durch die Projektarbeit immer wieder die konkreten Hürden bei der Nutzung von Daten identifizieren, sichtbar machen und selbst angehen.
Als Starthilfe hat die Gründungskommission drei beispielhafte Pilotprojekte vorgeschlagen, aus denen konkrete Herausforderungen beim Datenteilen adressiert werden können:
Den Aufbau einer kommunalen Mobilitätsdatenplattform mit Fokus auf öffentlicher Infrastruktur. Innerhalb von Kommunen könnte durch dieses Projekt ein Angebot entstehen, das den Bürgerinnen und Bürgern einen Live-Überblick über den lokalen Verkehr bietet, also etwa über Fahrpläne, verfügbare Leihräder oder nahe liegende Carsharing-Angebote. Gleichzeitig könnten Verkehrsplanerinnen und -planern bessere Informationen über die tatsächliche Nutzung der Infrastruktur erhalten, damit sie beispielsweise Radwege gezielt dort bauen, wo tatsächlich viel Radverkehr herrscht.
Die Entwicklung einer digitalen Lösung für adressatengerechte Unterstützung im Kontext der Gaspreisbremse. Dieses Pilotprojekt würde das Problem aufgreifen, dass staatliche Hilfen in Krisenzeiten oft nicht zielgerichtet genug eingesetzt werden. Am Beispiel der Gaspreisbremse könnte die Möglichkeit einkommensabhängiger Energiesubventionszahlungen untersucht werden. Dazu müssten die Jahresverbrauchsprognosen und die bei den Finanzämtern vorliegenden Einkommensteuerdaten zusammengeführt und intelligent gekoppelt werden. Dieses Projekt könnte laut der Gründungskommission politisch-regulatorische Entscheidungen durch das Heranziehen von Daten beispielhaft verbessern.
Eine Verbesserung des freiwilligen Datenteilens im Bereich der Long Covid-Forschung. Hier ginge es um Datennutzung im Dienst der medizinischen Forschung: Sie könnte eventuell mehr über die Risikofaktoren für Long Covid herausfinden, wenn man es ihr ermöglichen würde, Daten aus verschiedenen Quellen zu nutzen und zu kombinieren – etwa aus Kliniken, Krankenkassen und aus „Datenspenden“ von Privatpersonen, die freiwillig über ihre Impfungen und Lebensgewohnheiten berichten.
Der Ausblick: Was sind die nächsten Meilensteine?
Im ersten Quartal 2023 werden BMWK und BMI gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und allen weiteren Ressorts der Bundesregierung ein endgültiges Konzept für den Gründungsprozess abstimmen. Grundlage soll dabei die wertvolle Vorarbeit der Gründungskommission sein. Ziel ist es, ein effektives und agil arbeitendes Institut zu schaffen, das neue, innovative und datengetriebene Lösungen für echte gesellschaftliche Probleme entwickelt. Dabei soll es auf den zahlreichen bereits existierenden Initiativen im Datensektor aufsetzen und diese ergänzen, sowie vernetzen. Das Dateninstitut soll sie nicht verdrängen oder ersetzen.
Nach der Ressortberatung soll das Konzept dem Haushaltsausschuss des Bundestages vorgelegt werden. Stimmt er zu, stehen dem Dateninstitut für das Jahr 2023 zehn Millionen Euro zur Verfügung. Für die Jahre 2024 und 2025 würde das Dateninstitut dann jeweils weitere zehn Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt erhalten.
Was denkt der Beirat – und wie reagieren BMWK und BMI?
Beirat sagt: „Die aktuell seitens BMWK und BMI in Prüfung befindlichen Ansätze zur Etablierung eines Dateninstituts – aufbauend auf dem Konzept der Gründungskommission – haben das Potenzial, dem zukünftigen Dateninstitut eine richtungsweisende und relevante Rolle bei der Datenbereitstellung, -teilung und -nutzung für Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik zuzuweisen. Eine klare Fokussierung der Aufgaben und eine Definition von messbaren Zielen (was soll zum Beispiel bis 2025 erreicht werden?) fehlen allerdings noch komplett.“
→ Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und Bundesinnenministerium (BMI) antworten: „Wir begrüßen, dass der Beirat das Potential des Dateninstituts positiv sieht. Eine klarere Definition von Aufgaben und messbaren Zielen wird durch die Durchführung erster Use Cases, also durch erste Anwendungsfälle, die sich auf die Herausforderungen beim Nutzen und Teilen von Daten fokussieren, entwickelt werden. Das Aufgabenportfolio des Dateninstituts soll sich an den Fragestellungen und Herausforderungen ausrichten, die durch die Use Cases aufgezeigt werden. Auf Basis dessen können dann auch messbare Ziele entwickelt werden.“Beirat sagt: „Der Beirat begrüßt die Absicht der involvierten Ministerien, in der Gründungsphase durch Marktdialoge agil vorzugehen, Doppelstrukturen (zum Beispiel in der Standardisierung) zu vermeiden, Marktverzerrungen auszuschließen und sektorübergreifend agieren zu wollen.“
Beirat sagt: „Aktuell ist nicht zu erkennen, wie die mannigfaltigen Zielsetzungen des geplanten Dateninstituts, zumal mit einem überschaubaren Budget, realistisch umgesetzt werden könnten. Der Beirat empfiehlt der Bundesregierung daher, für die weitere Konzeptionierung den konkreten Auftrag des Dateninstituts so zu schärfen, dass die Vermeidung von Doppelstrukturen gewährleistet wird und durch das Institut ein echter Mehrwert entsteht. Die Bündelung von bestehendem Wissen zur besseren Orientierung als Hauptziel des Dateninstituts wird als nicht ambitioniert genug gesehen.“
→ Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) und Bundesinnenministerium (BMI) antworten: „Die genaueren Zielsetzungen, die das Dateninstituts erfüllen sollen, werden, wie oben erwähnt, im Zuge des Aufbaus des Dateninstituts konkretisiert. Wir teilen die Auffassung, dass die Aufgaben einerseits realistisch umsetzbar und konkret, andererseits auch ambitioniert sein müssen. Bestehende Strukturen sollen dabei keineswegs dupliziert werden, sondern miteinander verbunden werden, mit dem Ziel, die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stakeholdern zu ermöglichen und zu optimieren.“